Dienstag, 26. April 2011

Erfolgsgeschichte Mittelsachsen

Die wirtschaftlich erfolgreichste Region in Sachsen ist zur Zeit der 2008 neu gebildete Landkreis Mittelsachsen. Er erstreckt sich, wie der Name schon sagt, im Zentrum Sachsens günstig zwischen Chemnitz und Dresden gelegen. Er hat eine kleine Grenze mit Thüringen, schließt dann die nördlich von Chemnitz gelegenen Mittelstädte Mittweida und Döbeln ein und reicht bis weit ins Erzgebirge rein, bis an die tschechische Grenze. Die Hauptstadt ist die Bergstadt Freiberg, das sich zu einem modernen Technologiestandort entwickelt. Außerdem gehören zum Landkreis Mittelsachsen Städte wie Frankenberg, Niederwiesa und Hartmannsdorf, die wirtschaftlich von der Nähe zu Chemnitz profitieren.

Die zentrale Lage in Sachsen und die gute Infrastruktur der Region macht den Landkreis mehr und mehr attraktiv für Investitionen. Die A4, die Chemnitz und Dresden und überregional Erfurt und Breslau verbindet führt quer durch das Land. Außerdem führt die A14 von der A4 in Richtung Leipzig an Döbeln, der zweitgrößten Stadt in Mittelsachsen, vorbei. Durch Freiberg und damit quer durch den Landkreis verläuft außerdem die Eisenbahnstrecke zwischen Chemnitz und Dresden.

Die Bergstadt Freiberg am Fuße des Erzgebirges hat eine lange Tradition im Bergbau und die Bergakademie in der Stadt ist eine von vier Universitäten in Sachsen. Die Uni und die städtische Wirtschaft haben seit je her ein spezifisches Know-How zu Mineralien, Bergbau und Metallerzeugung aufgebaut. Von diesem Wissen und dieser Tradition profitieren heute moderne Unternehmen und Forschungsinstitute. Über Kooperationen mit Dresdner und Chemnitzer Instituten wurde die Region Freiberg zu einem Zentrum der Halbleiterindustrie, der Solarzellenfertigung und der Mikroelektronik ausgebaut. Die Deutsche Solar AG und die Siltronic AG haben sich zu den größten industriellen Arbeitgebern in Sachsen entwickelt. Das Freiberger Werk der Deutschen Solar AG ist sogar die größte Solarzellenfabrik Europas und soll weiter ausgebaut werden.

Das eigentlich eher ländlich geprägte Mittelsachsen hat durch gezielte Förderung von Zukunftsbranchen eine rasante Re-Industrialisierung erlebt. 32 % der Wertschöpfung wird im verarbeitenden Gewerbe erwirtschaftet. Damit war der Industrieanteil deutlich höher als der Durchschnitt in Sachsen (24 %). 2008 war das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Mittelsachsen das höchste aller Landkreise in Sachsen, nur die kreisfreien Städte Chemnitz, Dresden und Leipzig erreichten höhere Werte, die aber durch Einpendler verzerrt werden. Die Wirtschaftskraft pro Einwohner gemessen an dieser Zahl ist in Mittelsachsen sehr stark gestiegen. Von 2000 bis 2008 wurde ein Plus von 57 % erreicht - so viel wie in keiner anderen Region in Sachsen. Zum Vergleich: Sachsen wuchs um 33 % und Deutschland um 21 %.

Ausdruck findet der Erfolg der Region Mittelsachsen auch in der im Vergleich niedrigen Arbeitslosenquote. Mit aktuell 10,5 erreicht diese den besten Wert unter allen Regionen in Sachsen und weißt eine gute Tendenz auf. Außerdem ist die Kennziffer Produktivität mit 37 € erwirtschaftetem Bruttoinlandsprodukt pro Arbeitsstunde die höchste in Sachsen. Auch die Produktivität ist mit +49 % zwischen 2000 und 2008 sehr stark gestiegen.

Weitere positive Signale aus Politik und Wirtschaft lassen für die Freiberger Region eine gute Aussicht prognostizieren. So hat der Bund den Zuschlag für die Einrichtung eines nationalen Forschungsinstituts für Ressourcentechnologie an Freiberg vergeben. Das Institut soll in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen und zu Deutschlands Ressourcenversorgung forschen. Auch die Solarzellen- und Wafer-Produzenten in Mittelsachsen haben Pläne zum Ausbau ihrer Fabrik in 2011 vorgelegt. Langfristig wird Mittelsachsen außerdem vom Fertigbau der A72 von Chemnitz nach Leipzig profitieren, da die Chemnitzer Region mit den mittelsächsischen Städten nördlich und östlich von Chemnitz besser an das Logistikzentrum Leipzig/Halle angebunden werden wird.

Samstag, 23. April 2011

Europäische Freizügigkeit

Am 1. Mai diesen Jahres fallen die letzten Grenzen für Menschen aus den 2004 der EU beigetretenen osteuropäischen Ländern, die in Deutschland eine Arbeit aufnehmen möchten. Das gibt Anlass zu großen Geschrei, besonders einiger Gewerkschaftler, die sofort eine Schwämme billiger Arbeitskräfte, Lohndumping und die Verdrängung deutscher Arbeitnehmer befürchten. Bei der Gelegenheit wird natürlich gleich ein flächendeckender Mindestlohn in Deutschland gefordert.

In der Realität wird wohl wenig passieren und die volkswirtschaftlichen Folgen der Öffnung eher gering sein. Die Bundesagentur für Arbeit rechnet mit 140.000 Osteuropäern, die pro Jahr nach Deutschland kommen könnten. Das sind Menschen, die die boomende deutsche Wirtschaft auch dringend braucht. So gesehen kommt also die komplette Freizügigkeit für Osteuropäer gerade recht. Besonders gravierend ist der Fachkräftemangel in Sachsen und den anderen neuen Ländern. Denn die Demografie ist hier besonders ungünstig und etwa Ausbildungsplätze können von Firmen nicht mehr alle besetzt werden. Der Nachschub junger Leute ist aber nötig, sonst kommt der wirtschaftliche Aufschwung, der sich auch in Ostdeutschland durch steigende Produktion und durch Ausweitung der Belegschaft äußert, ins stocken. Der Fachkräftemangel bremst so die wirtschaftliche Entwicklung.

Viele gut ausgebildete Polen und Tschechen sind bereits nach Westeuropa abgewandert. Besonders England und Irland waren attraktiv, da die Länder bereits früher ihren Arbeitsmarkt geöffnet hatten und die Sprachbarrieren gering sind. Aus diesen Wanderungsmustern ist zu schließen, dass nach der Öffnung des Arbeitsmarktes in Deutschland, Osteuropäer besonders in die westdeutschen Wirtschaftszentren und nach Berlin gehen werden. Sachsen gerät sogar in Gefahr, wenig Zuwanderung aus den Nachbarländern abzubekommen, obwohl der Freistaat diese Menschen braucht.

Sachsen hat aufgrund des Fachkräftemangels im Bundesrat einen Gesetzesentwurf für die einfachere und schnellere Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Berufsausbildungen eingebracht. Auch sächsische Firmen werben in benachbarten Grenzregionen Polens und Tschechiens ums junge Leute. Insgesamt würde Sachsen mehr Zuwanderung gut tun. Der Bevölkerungsrückgang, der als starke Bremse auf das Wirtschaftswachstum wirkt, könnte durch neue Arbeitskräfte aus Osteuropa etwas abgemildert werden. Wahrscheinlich kommen aber nur einige Tausend pro Jahr nach Sachsen.

Wie sieht es nun mit der Gefahr geringerer Löhne aus, wie von Gewerkschaftler beschworen? Erstens ist das Lohngefälle zwischen den armen Regionen in Sachsen und den relativ wirtschaftlich erfolgreichen angrenzenden Gebieten in Polen (Schlesien) und Tschechien gar nicht so groß, dass eine Massenwanderung in den Niedriglohnsektor zu befürchten wäre. Nur der Niedriglohnsektor, wie z.B. viele Jobs in der Baubranche, stehen hier ja zur Debatte, denn eine Zuwanderung in den Hochlohnsektor wäre für Sachsen ja nur wünschenswert.

Die Bundesagentur für Arbeit fürchtet nur in einigen grenznahen Regionen Druck auf die Löhne, besonders in der Zeitarbeitsbranche. Nun kommt aber auch Gleichzeitig die Aufnahme der Zeitarbeitsbranche in das Entsendegesetz und damit ein Mindestlohn, der Lohndumping verhindern soll. Auch in der Baubranche gilt schon lange ein Mindestlohn. Nun hat Sachsen besonders viele grenznahe Regionen. Doch genau diese Regionen, die an Tschechien und Polen grenzen, der Landkreis Görlitz und das tiefe Erzgebirge sind Landstriche, die besonders von der Abwanderung und Entvölkerung nach der Wende betroffen sind. Sie brauchen also gerade neue Zuwanderung. Der Mangel an Arbeitskräften, der durch die schlechte Demografie in diesen Gebieten entsteht, führt sogar zu steigenden Löhnen, sodass Lohndumping nicht zu befürchten ist.

Freitag, 8. April 2011

Die Höfe von Leipzig

Hiermit setzte ich nun die Serie über die Innenstadtentwicklung der sächsischen Städte fort. Den ersten Teil der Serie hatte ich bereits über Dresden verfasst (Link). Heute soll es um Leipzig und seine innerstädtische Entwicklung gehen. Die alte Messestadt ist geprägt durch die zahlreiche Handelshöfe und Passagen, die früher als Messehäuser oder Handelshäuser errichtet wurden. Die erste Form, der so genannte Durchhof, entstand, um die Waren schnell von einer Straße in eine andere Straße transportieren zu können. Im 19. Jahrhundert schließlich kamen die Messehäuser auf. Das waren große Handelshäuser in denen die Leipziger Messen abgehalten wurden.

Was in Chemnitz produziert wird, wird in Leipzig gehandelt und in Dresden verprasst. Dieser Spruch aus dem 19. Jahrhundert charakterisiert die drei Städte als Industriestadt, Handelsstadt und politisches Zentrum. Entsprechend ist die Leipziger Innenstadt von den erhaltenen Messebetrieben geprägt. Besonders auf dem Höhepunkt des Leipziger Messestandorts - vor dem ersten Weltkrieg - entstanden viele massive Bauten im Stile der damaligen Zeit. 1910 war Leipzig auf dem Zenit seines Rufs als Handelsmetropole und hatte fast 600.000 Einwohner, genauso viele wie München, und war nach Berlin, Hamburg und München die viert größte Stadt im Deutschen Reich. Deshalb gibt es in Leipzig auch so ausgedehnte Gründerzeitwohngebiete aus der damaligen Zeit.

Doch die Leipziger Wirtschaft hatte stark unter der Inflationszeit nach dem Krieg zu leiden. Schließlich spaltete sich Europa in immer autarkere Wirtschaftseinheiten und der Außenhandel, die Grundlage für viele Messegeschäfte, war stark reduziert. Der endgültige Niedergang der Wirtschaft in Leipzig hatte mit der Machtübernahme der Nazis in Deutschland begonnen. Handel und Messen verloren stark an Bedeutung, da das Wirtschaftswachstum hauptsächlich durch Rüstungsproduktion in der Industrie getrieben wurde. Schließlich waren viele der Händler und Messeveranstalter in Leipzig Juden, die durch die Nazis enteignet, vertrieben bzw. getötet wurden. So war bereits zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wenig vom ehemaligen Glanz der deutsch-jüdischen Handelstradition in Leipzig geblieben.

Nach der Wende verloren die Messehäuser ihre eigentliche Funktion, da in den 90er Jahren vor den Toren der Stadt das riesige neue Messegelände entstand. Bis heute wurden die meisten der Passagen restauriert und machen Leipzig mir ihren Geschäften zu einem interessanten Einzelhandelsstandort. Für Touristen hat die Mädler-Passage über Leipzig hinaus Bedeutung, da hier Auerbachs Keller ist, in dem der damalige Leipziger Student Goethe seinen Faust und Mephisto auftreten ließ.

Hier eine Übersicht über die wichtigsten Höfe und Passagen:
Königshaus (1707) - Link
Barthels Hof (1750) - Link
Handwerkerpassage (1846) - Link
Städtisches Kaufhaus (1901) - Link
Oelßner Hof (1908, heute noch unsaniert) - Link
Specks Hof (1909) - Link
Handelshof (1909) - Link
Kretschmanns Hof (1912) - Link
Mädlerpassage (1912) - Link
Zentral-Messepalast (1914) - Link
Jägerhof (1920) - Link
Messehof (1950) - Link

Das größte Bauprojekt zurzeit sind die Höfe am Brühl, ein riesiges Einkaufscenter in moderner Architektur. Damit wird eine große Brachfläche der Innenstadt geschlossen und die Einkaufstadt Leipzig um einen weiteren "Hof" erweitert. Bedeutend ist dieses Projekt nicht nur wegen seiner großen Fläche, sondern weil es ein moderner Handelshof ist, der die Tradition der Leipziger Handelsmetropole fortführt. In der Nähe des Hauptbahnhofs gelegen, wird hier der so genannte Brühl komplettiert. Der Brühl war einst die Hauptschlagader der Messestadt. Der Brühl galt seiner Zeit als die Weltstraße der Pelze. 1913 wurde ein drittel aller weltweit erstellten Felle über Leipzig gehandelt. Auf dem Höhepunkt beherbergte der Brühl 794 Pelzgeschäfte. In einem Haus alleine waren es sogar 34. Am Brühl, der Nikoleistraße und in der Umgebung finden sich auch heute noch die meisten der sanierten Handelshäuser. Der Brühl selber jedoch wurde im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört und die Pelzhändler zogen nach Frankfurt am Main. Die neuen Höfe am Brühl sollen diese Narbe schließen und den Ausbau Leipzigs zur Dienstleistungs- und Handelsmetropole fortführen.